Nachhaltigkeitsvision der Heinz Sielmann Stiftung

Ein Interview mit Michael Beier, geschäftsführender Vorstand der Heinz Sielmann Stiftung

 

1. Die Heinz Sielmann Stiftung hat den Leitsatz „Vielfalt ist unsere Natur“. Wie hilft dieser Leitsatz dabei, einen Beitrag zur Bewältigung aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen zu leisten?

Die Biodiversität wird im nächsten Jahrzehnt in den Mittelpunkt des globalen öffentlichen Interesses rücken. Weltweit ist ein enormer Rückgang der Artenvielfalt zu verzeichnen, das Bienensterben ist nur ein augenfälliges Beispiel, was Artenverlust bedeuten kann. Die Biodiversität ist existenziell für unser Überleben. Die Globalisierung im Handel und Verkehr führt zwangsläufig auch zu einem Artenaustausch über die Kontinente hinweg. Die Folge: Invasive Arten bedrohen die heimische Artenvielfalt.

Auf der Klimakonferenz von Paris 2015 haben sich 195 Staaten über den Klimawandel und auf den globalen Klimaschutz mit einem Tool von Zielen und Maßnahmen verständigt. Ebenso wird es beim Thema Biodiversität und Artenschwund zu einem weltweiten Umdenken und einer Neuausrichtung vor allem in der industriellen Land- und Forstwirtschaft führen müssen. Die Erde ist nicht duplizierbar, ihre Flächen und Ressourcen sind endlich. 

Die Heinz Sielmann Stiftung unterstützt und fördert mit ihrer Arbeit und deren Wirkung die Ziele der Nationalen Biodiversitätsstrategie der Bundesrepublik. Sie arbeitet sehr eng mit der Bundesregierung, vertreten durch das Bundesamt für Naturschutz, in einigen Pilotprojekten mit Ausstrahlungs- und Innovationscharakter zusammen. Die Stiftung wirkt in den Bundesländern, in denen ihre Naturschutzflächen oder Biotopverbünde liegen, in Netzwerken mit den Naturschutzbehörden, den Naturschutzstiftungen und Verbänden. Kooperationswille mit Dritten steht weit oben auf der Skala des Leitbildes der Stiftung. 

Die Heinz Sielmann Stiftung wandelte deshalb den Claim ihres Stifters Heinz Sielmann „Naturschutz als positive Lebensphilosophie“, der das Lebenswerk des Tierfilmers treffend zum Ausdruck brachte, zu einem neuen Selbstverständnis mit dem Claim „Vielfalt ist unsere Natur“. Dieses muss man von zwei Seiten lesen: Zum einen wird das Wirken der Stiftung von einer Projektvielfalt unterschiedlichster Lebensraumtypen bundesweit geprägt und auf der anderen Seite ist die Natur selbst, sind die Arten, (noch) voller Vielfalt. Das Verständnis für die Zusammenhänge in der Natur und Kulturlandschaft, den Reichtum in der Natur und Umwelt bringen wir mit dem Wirken der Umweltbildung in der Stiftung vor allem Kindern und Jugendlichen näher. 

2. Herr Beier, war das letzte Jahr ein erfolgreiches Jahr für die Projekte der Heinz Sielmann Stiftung?

Die Jahre 2014 und 2015 waren geprägt vom Change Management in der Kommunikation, dem Marketing, im Fundraising und der Umsetzung der Naturschutzstrategie der Stiftung mit den Projekten im Nationalen Naturerbe, in der Bergbaufolge. Die Initiierung des stiftungseigenen bundesweiten Projektes „Jeder Gemeinde ihr Biotop“ stand in diesem Jahr im Mittelpunkt der Naturschutzprojekte. Damit einher erlebten wir intensive Beratungsprozesse mit einer Vielzahl von Workshops und Seminaren über alle Ebenen hinweg und boten den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung ein umfangreiches Fort- und Weiterbildungsprogramm an. 

Erfolgreich waren 2015 das Erbschaftsmarketing und die Biotopverbundprojekte am Bodensee. Besonders zu würdigen sind die Angebote der Stiftung für entgeltliche Dienstleistungen wie Kartierungen in den Bergbaufolgelandschaften der LMBV und der MIBRAG, die Bereitstellung von Ausgleichs- und Entwicklungsmaßnahmen für Investoren in der Döberitzer Heide sowie Ökopunktebilanzierungen für Dritte am Bodensee. Die Stiftung wandelte sich im vergangenen Jahr auch zu einem entgeltlichen Dienstleistungsanbieter im Naturschutz für andere Flächenbesitzer. Vor allem die Eröffnung der Ausstellung „Natur bewahren“ am Grünen Band im Eichsfeld, die in der Remise auf Gut Herbigshagen gezeigt wird, konnten wir als Höhepunkt des Jahres begehen. 

2015 galt die Spendenbereitschaft unserer Spender verstärkt der Not der Geflüchteten. Wir mussten deswegen unsere Prognose für die Spendeneinnahmen nach unten korrigieren. Darauf sowie auf die allgemeine demografische Entwicklung der älter werdenden Gesellschaft, müssen wir uns auch in den kommenden Jahren einstellen. Wir müssen deshalb die Wahrnehmung der Wirksamkeit der Projekte erhöhen und neue Zielgruppen „entdecken“ wie Unternehmen, Förderstiftungen und die Generation 55+.  

3. Wie möchten Sie diese Erfolge in den kommenden Jahren fortsetzen?

In der nahen Zukunft wird es darum gehen, dass wir unsere Kooperationen national und international ausbauen und belastbar verstetigen. Im Mittelpunkt stehen dabei Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und Förderstiftungen. Die Internationalisierung und der Aufbau des Public Affairs in der Heinz Sielmann Stiftung werden weitere Schwerpunkte sein. Wie bereits erwähnt, gilt es für das Fundraising Neuspender zu gewinnen, neue Zielgruppen in den Fokus zu nehmen. Im Erbschaftsmarketing heißt es für die Erblasser wirkungsvolle und generationsübergreifende Nachlass-Angebote zu offerieren. Wir wollen im Naturschutz stetig mit bundesweiten Innovationen mittels geförderter Projekte durch das Bundesamt für Naturschutz unsere Alleinstellungsmerkmale weiter entwickeln. Innerhalb der Stiftung wird kräftig in allen Betriebsstätten baulich investiert. Zeitgemäße Ausstellungen, innovative Umweltbildungsangebote und spannende Naturerlebnisprogramme sollen Magnete für eine interessierte Öffentlichkeit werden und Aufmerksamkeit schaffen. Der Ausbau des Dienstleistungsangebotes aus der Stiftung heraus soll die Abhängigkeit von Spenden für den Betrieb der Stiftung weiter minimieren.   

4. Nachhaltigkeit im Sinne des Natur- und Umweltschutzes ist inhärentes Ziel der Heinz Sielmann Stiftung und Kernthema ihrer inhaltlichen Arbeit. Sehen Sie sich deswegen in einer besonderen Pflicht, Nachhaltigkeit innerhalb der Stiftung zu verwirklichen?

Natürlich müssen wir in unserem Handeln Vorbild sein. Wir werden als Stiftung, die das Privileg der Gemeinnützigkeit besitzt, aufmerksam beobachtet. Analysen in der jüngeren Vergangenheit durch das DZI, der Zeitschrift „Capital“, der Phineo gAG oder dem „Spiegel“ zeigen, dass wir als Naturschutzstiftung auch im öffentlichen Fokus stehen und uns bewähren müssen. Dieser Bericht und unsere bereits online auf unserer Website zugänglichen Guidelines schaffen Transparenz über unser Wirken. 

5. Welche Prioritäten setzt sich die Stiftung beim internen Nachhaltigkeitsmanagement?

Für die Stiftung ist die Wirksamkeit ihrer Projekte gegenüber den jeweiligen Zielgruppen das wichtigste Kriterium des Handelns. Damit einher gehen auch nachhaltige Prozesse, wie der Aufbau eines einheitlichen Monitoringsystems oder das Flächenmanagement in der Stiftung. Beispielsweise haben wir für unsere Naturlandschaften, die vor allem durch die Forstwirtschaft beim Waldumbau und vom Offenlandmanagement geprägt sind, forstwirtschaftliche Einrichtungsplanungen aufgestellt, die für eine Dekade Entwicklungen und Maßnahmen festschreiben und Planungssicherheit bieten. Intern wollen wir eine Strategie für den betrieblichen Umweltschutz entwickeln. Im Fundraising gilt es die bundesweit hohen Standards im Datenschutz der Spenderdaten zu wahren und im Datenmanagement aktuell zu bleiben. Natürlich erfordern die Personalstruktur und das Alter in der Stiftung auch ein betriebliches Gesundheitsmanagement. Begonnen haben wir in 2015 mit der psychischen Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsplätze als Voraussetzung dafür. Wir werden stärker als bisher auch eine Personalentwicklung zur Nachwuchsförderung forcieren. Mit der Vergabe von Deutschlandstipendien, der Förderung von Masterarbeiten und mit Promotionsstipendien sind wir gestartet. Dem dienen auch die Kooperationen mit Universitäten und Hochschulen im Naturschutz und in der Umweltbildung. Und natürlich versteht sich die Heinz Sielmann Stiftung auch als familienfreundlicher Betrieb und setzt bei Zuschüssen und flexiblen Arbeitsmodellen ihre Schwerpunkte.

6. Dieser Bericht ist einer der wenigen Nachhaltigkeitsberichte einer deutschen gemeinnützigen Organisation und der erste Bericht einer deutschen Stiftung nach der international anerkannten Berichterstattungsrichtlinie G4 der Global Reporting Initiative (GRI). Was hat Sie dazu bewogen, einen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen?

Der Nachhaltigkeitsbericht ist der wirkungsvollste Beweis für die umfassende Nachhaltigkeit in der eigenen Arbeit. Er fördert das Selbstverständnis in der Stiftung für das Handeln, zeigt uns aber auch Schwächen und Risiken auf. 

Wir möchten uns auf Augenhöhe mit mittelständischen Familienunternehmen und mit börsennotierten Kapitalgesellschaften messen lassen. Natürlich erwarten wir damit, dass wir bei CSR-Projekten von Unternehmen als NGO-Partner gelistet werden. Wir wollen für die eigenen Projekte auch Unternehmen, Unternehmer und Unternehmrinnen als Kooperationspartner gewinnen und uns mit dem Nachhaltigkeitsbericht empfehlen. Für die junge Generation setzen wir mit der Analyse Maßstäbe für Transparenz und Glaubwürdigkeit, für Integrität und Vertrauen. Sie sind die Spender von morgen! Das Verständnis für unser wirkungsorientiertes Tun soll belastbar sein. 

7. Mit der Veröffentlichung des ersten Nachhaltigkeitsberichts und der Durchführung einer Stakeholderbefragung haben Sie 2015 erste große Schritte für ein systematisches Nachhaltigkeitsmanagement gesetzt, welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Der betriebliche Umweltschutz und das betriebliche Gesundheitsmanagement stehen 2016 im Mittelpunkt der innerbetrieblichen Arbeit. Hilfreich waren hier vor allem die Ergebnisse der Materialitätsanalyse. Mittelfristig werden wir ein umfassendes Arten-Monitoring und FFH-Managementpläne für die Landschaften in Zusammenarbeit mit den Bundesländern aufbauen müssen. Weitere Schwerpunkte sind ein Kursbuch Wirkung der Stiftung und forschungsbasierte Symposien, um eine effizientere Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen aufzubauen. Mehr Biodiversitätsforschung und mehr Publizität heißen dabei unsere Ziele. Auch die Einrichtung eines betrieblichen Qualitätsmanagements auf der Basis von Normen für mittelständische Betriebe ist ein weiteres Ziel auf dem Weg zum „Unternehmen Stiftung“. Bei allen ökonomischen und sozialen Aspekten ist und bleibt der Naturschutz Herzenssache für die Stiftung.

Kontakt


Michael Beier
michael.beier(at)sielmann-stiftung.de
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